Bericht Zeitzeugenprojekt

Kostbare Erinnerungsschätze
Bundesmittel für Zeitzeugenprojekt des Diakoniemuseums

Früher war alles besser…oder etwa doch nicht? Um das herauszukriegen, helfen neben Archivdokumenten am besten die Erinnerungen von Menschen, die schon viel erlebt haben. Das Diakoniemuseum Rummelsberg trägt solche Erinnerungen gerade in bayernweiten Videointerviews zusammen. Gefördert wird das Projekt aus dem „Soforthilfeprogramm Heimatmuseen 2021“, das der Deutsche Verband für Archäologie aus Bundesmitteln aufgelegt hat. Das Gesamtvolumen liegt bei etwa 20.000 Euro.

„Erinnerungen sind für die Museumsarbeit ein unschätzbares Kapital,“ betont Museumsleiter Thomas Greif. Museumsobjekte bekämen ihren eigentlichen Wert etwa erst durch die Geschichten, die Menschen dazu erzählen. Schriftliche Quellen wie Briefe oder Protokolle hätten zwar ihren eigenen Wert, aber: „Die erzählte Anekdote ist oft das Sahnehäubchen.“ Und letztlich sei nichts spannender als die Lebensgeschichten von Menschen.

Getreu dem eigenen Erzählanspruch hat das Diakoniemuseum für das Projekt zwar auch, aber nicht ausschließlich Protagonisten aus dem Rummelsberger Umfeld ausgewählt, sondern die gesamte bayerische Diakonie in den Blick genommen. So berichtete die Augsburger Diakonisse Erika Mühlhäuser aus noch nicht allzulang vergangenen Tagen, als in einem städtischen Kindergarten in Augsburg etwa 100 Kinder zu beaufsichtigen waren – von einer Person. „Ich kann mich noch erinnern, wie in Nürnberg die Kinder still da sitzen mussten, bis es am Kirchturm 7 Uhr geschlagen hatte,“ so Mühlhäußer. Der Karlshöher Diakon Erich Mühlberger galt in den 1980er Jahren im Diakoniedorf Herzogsägmühle als „Vater der Differenzierung“, weil er versuchte, Menschen mit unterschiedlichen sozialen und psychischen Problemen auch unterschiedlich zu behandeln – heute eine Selbstverständlichkeit! Im Bewusstsein der Herzogsägmühler Bevölkerung blieb Mühlberger nicht zuletzt deshalb, weil er die Gleichberechtigung der Klienten mit dem Personal bei der Kaffeeversorgung einführte nach dem Motto: „Bohnenkaffee für alle!“

Für Diakon Werner Heger endeten die unruhigen Kindheitsjahre nach der Flucht aus seiner schlesischen Heimat in die evangelische Diaspora nach Niederbayern 1952 mit der Aufnahme als „Helfer“ in Rummelsberg. Heger erlebte sieben Rektoren und vertrat die Rummelsberger Diakone über Jahrzehnte in der bayerischen und bundesdeutschen Sozialpolitik. Diakonin Elisabeth Peterhoff, die heute dem Vorstand der Rummelsberger Diakonie angehört, wusste aus der turbulenten Gründungszeit der Diakonnengemeinschaft zu berichten, als sich – wie auch zuvor in der Pfarrerschaft – Frauen ihren gleichberechtigten Platz in Kirche und Diakonie hart erkämpfen mussten.

Natürlich ist auch Neuendettelsau mit einigen Protagonisten vertreten, etwa der langjährigen Leiterin der Verbandsschwesternschaft, Hannah Enzigmüller, oder mit Diakon Manfred Riedel, der als Schulleiter über fast drei Jahrzehnte den steten Wandel der Krankenpflegeausbildung überblickt.

Produziert werden die Interviews von einem Team um den renommierten Dokumentarfilmer Peter Prestel aus Eichstätt, der unter anderem für arte, das ZDF (Terra X) und für zahlreiche große Museen tätig ist. Neben den DVA-Mitteln beteiligt sich auch die Landesstelle für die Nichtstaatlichen Museen in Bayern mit einer Förderung. Die Aufnahmen dienen zunächst als eine Art digitales Archiv und können dann bei allen künftigen Ausstellungsvorhaben verwendet werden. Für Museumsleiter Greif unterstreichen Projekte wie dieses den Selbstanspruch des Diakoniemuseums als wissenschaftliche Einrichtung: „Sonst würden wir auch kein öffentliches Geld dafür bekommen.“

Ausstellungseröffnung der Wanderausstellung  "Evangelische Migrationsgeschichte(n)"  am kommenden Sonntag, 17.03. in der Philippuskirche Rummelsberg. 10.00 Uhr Gottesdienst  - im Anschluss Vernissage